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Leseprobe Band 3 »Tödliches Finitum«


Er musste davon ausgehen, dass er sich auf seine Ortskenntnisse aus DDR-Zeiten nicht mehr verlassen konnte. Folglich würde er den Stadtplan wohl brauchen.
Zudem hatte sich seine Kenntnis damals auch nur auf das frühere Ostberlin beschränkte.

Auf dem Parkplatz der Autovermietung saß Biçon noch einige Augenblicke im Wagen. Bevor er startete wollte er sich mit ihm vertraut machen.
Sein Blick fiel dabei auch aus dem herabgelassenen Fenster. Auf den dichten Fahrzeugverkehr vorn auf der Straße. Die bunte Menge der vorbeiziehenden Fußgänger.
Da verspürte er plötzlich ein flaues Gefühl in der Magengegend. Ungläubig schüttelte er den Kopf und schloss für einen Moment die Augen.
Soeben war ihm bewusst geworden, dass es fast fünfzehn Jahre her war. Dass er gemeinsam mit Führmann an einem kalten Morgen im Januar die damalige Hauptstadt der DDR verlassen hatte.
Jetzt erst war er hierher zurückgekehrt. Um vieles älter und als ein anderer Mensch. Er schüttelte betroffen den Kopf.
So vieles war in diesem aufregenden Abschnitt seines Lebens geschehen, der so rasch vergangen zu sein schien wie ein Wimpernschlag.
Biçon atmete mehrfach tief durch und konzentrierte sich auf den Stadtplan. Dann startete er beherzt den Wagen.

Zum ersten Mal war er im früheren Westberlin unterwegs.
Daher sah er sich seine Unsicherheiten nach und warf immer wieder einen raschen Blick auf den Stadtplan. Den hatte er neben sich auf den Beifahrersitz gelegt. Dennoch irrte sein Blick umher, suchte bekannt wirkende Anhaltspunkte.
Indem er endlich den früheren Ostteil der Stadt erreichte, glaubte er sich zuerst auf der sicheren Seite.
Doch dem war nicht so. Zu vieles hatte man hier verändert oder gar völlig neu gebaut.
Schließlich war er froh, dass zumindest die alten Straßenführungen immer noch mit seinen Erinnerungen übereinstimmten.
Staunend fuhr er in Richtung Lichtenberg. Auf der Karl-Marx-Allee, die noch den alten Namen trug.
Bereits daheim hatte er im Internet ein preisgünstiges Hotel gefunden, das sich nur einige Hundert Meter hinter dem früheren Ministerium befand.
Plötzlich, nach der Brückendurchfahrt am S-Bahnhof »Frankfurter Allee«, wallte in ihm eine innere Unruhe auf.
In Fahrtrichtung erblickte er die Gebäudefront des ehemaligen Ministeriums.
An der Kreuzung davor angekommen, bog er nach links in die Ruschestraße ein. Die auch immer noch so hieß.
Mit wachsendem Erstaunen fuhr er langsam an dem großen Gebäudekomplex entlang, der einst die größte Machtzentrale einer untergegangenen Republik beherbergte. Dabei sah er, dass inzwischen die »Deutsche Bahn«, ebenso wie andere Unternehmen, hier ihren Sitz gefunden hatte.
Unvermittelt und sehr intensiv erkannte er, wie vergänglich alles im Leben sein kann.
Einst geschaffen für die Ewigkeit, allumfassend und beherrschend. Doch dann vorbei, weg, verschwunden!
Doch nicht vergessen!
Auf der nächsten Kreuzung warf er rechterhand einen raschen Blick in die Normannenstraße. Er fuhr weiter und fand wenige hunderte Meter weiter das von ihm ausgesuchte Hotel.
In eine freie Lücke parkte er den Wagen und checkte sofort ein.
Lange hielt er sich jedoch nicht auf seinem Zimmer auf. Aber er rief Yvonne auf dem Handy an, um ihr seine Ankunft in Berlin zu vermelden.

Danach fuhr er nordwärts aus Berlin hinaus ins Städtchen Bernau.
In der Nähe eines großen Einkaufcenters stellte er den Wagen auf einem Parkplatz ab. Er schaute sich um und bei einem gemächlichen Bummel führte er eine Erkundungstour durch.
Wobei er den kleinen Laden von Faber fast auf Anhieb entdeckte. Er tippte die Telefonnummer, die er auf einem Schild an dessen Ladentür entdeckte, ins Handy ein.
Wenig später rief er von seinem Wagen aus den früheren Sicherheitschef an.
»Sicherheitsservice Faber, guten Tag, womit kann ich Ihnen helfen?«, meldete sich Faber anscheinend persönlich.
»Guten Tag, mein Name ist Biçon. Spreche ich mit Monsieur Faber?«
»Jawohl, Faber am Rohr, wo klemmt das Schloss?«
»Monsieur Faber, ich bin Journalist und arbeite für das französische Fernsehen. Wir bereiten eine Dokumentation vor. Die sich, neben den grandiosen Bauleistungen, auch mit bestimmten Vorfällen an der früheren Erdgastrasse der DDR befasst.«
Einen langen Augenblick herrschte Schweigen. Faber schien zu überlegen, bevor er antwortete. »Gut, aber was habe ich damit zu tun?«, entgegnete er.
»Monsieur Faber! Sie sind uns als kompetenter Fachmann für dieses Thema empfohlen worden. Daher wäre ich kurzfristig an einem Gespräch mit Ihnen interessiert!« Biçon hörte Fabers überraschtes Lachen.
»Einverstanden. Wann wollen Sie bei mir vorbei kommen?«
»Nun ja. Ich bin heute zufällig hier in die Stadt Bernau. Ich könnte noch zu Ihnen kommen.«
»Gut, von mir aus. Aber um sechs mache ich Feierabend«, entgegnete Faber und legte auf.

Aus seiner Handgelenktasche suchte Biçon einen gefälschten Presseausweis hervor. Den hatte er daheim am Computer auf einer Originalvorlage ohne großen Aufwand hergestellt.
Er schloss den Wagen ab, ging schräg über den Parkplatz, wo er bei seinem Rundgang ein kleines Café entdeckt hatte.
Dort trank er in aller Ruhe einen großen Milchkaffee und wartete ab. Interessiert durchstöberte er dabei eine deutsche Tageszeitung.
Kurz vor achtzehn Uhr zahlte er.
Es war bereits dunkel geworden. Faber wollte wohl zum Geschäftsschluss soeben den Laden abschließen, als Biçon entschlossen eintrat.
Faber warf einen raschen Blick auf seine Armbanduhr und blickte dann dem späten Kunden erstaunt entgegen.
»Entschuldigen Sie, Monsieur Faber, dass ich so spät noch komme, wir haben telefoniert«, sagte Biçon in einem bewusst weichen Französisch.
Faber erkannte, dass der unbekannten Anrufer vom Nachmittag vor ihm stand.

Biçon und Faber waren sich vorher noch nie begegnet.
Aber auf dem Weg hierher stellte sich Biçon mehrfach eine Frage. Wie sah der Mann, der seinen toten Bruder gesehen und alle Untersuchungen zu seinem Tode durchgeführt hatte, wohl aus?
Jetzt stand ein großer, hagerer, leicht gebeugter und schon sichtlich ergrauter Mann vor ihm. Er trug einen blau glänzenden Berufsmantel, auf dessen Brusttasche der Name »Faber« stand. Der dünne Mantel hing auf seinen Schultern, wie über einem Kleiderbügel.
Biçon stellte sich mit dem gefälschten Presseausweis und seinem französischen Namen vor. »Da ich bereits in der Nähe war habe ich mir erlaubt, Monsieur Faber gleich heute noch zu überfallen. Ça marche?«, begründete er sein überraschendes Erscheinen. Bei diesen Worten lachte er etwas geziert, um den französischen Charmeur ein bisschen heraushängen zu lassen. Dabei sah er sich aufmerksam in Fabers Laden um.
Faber schien Biçons simpler Auftritt zu beeindrucken. »Geht schon in Ordnung, wir setzten uns dort hinüber, an den kleinen Tisch«, entgegnete er und deutete mit der Hand zu einer Ecke des Ladens.
Aus der Nähe sah Biçon sofort, wie stark Faber von Alkohol und Nikotin bereits gezeichnet war.
Er setzte sich an den Tisch, zog ein Diktiergerät aus seinem Jackett und schaute Faber fragend an.
Der nickte zustimmend. »Können Sie von mir aus verwenden. Einen Augenblick Geduld, bitte, dann können wir miteinander schwatzen.«
Daraufhin verschwand er mit einem verschwörerischen Augenzwinkern in einen Nebenraum. Kurz darauf kam er mit eine Flasche Rotwein und zwei Gläsern zurück.
Ächzend ließ er sich gegenüber von Biçon auf einen Stuhl fallen. Wortlos goss er den Wein in die Gläser. Sie stießen an und tranken.
Dann begann Biçon das Gespräch. »Monsieur Faber, bei »TV-Eins« machen wir eine Dokumentation über den Bau von Erdgastrasse. Durch Bauorganisation der DDR, n'est-cepas?. Ich recherchiere dafür über das Thema »Unfälle und Todesfälle« an der Trasse im Allgemeinen. aber insbesondere im Ural.
»Da sind Sie bei mir wirklich an der richtigen Adresse!«, warf Faber überrascht ein. Wobei seine Augen plötzlich aufleuchteten und so etwas wie Stolz in seiner rauchigen Stimme mitschwang. »Ich war damals, das ist schließlich kein Geheimnis, Sicherheitschef auf einem Standort im Ural. Der hieß Prokowski.«
Biçon spürte schon nach den wenigen Minuten, dass Fabers Arbeitstag wohl kaum von starker Kundenfrequenz geprägt gewesen sein konnte. Denn er hatte, wahrscheinlich schon vor Biçons Eintreffen, seinen Schrank mit den Alkoholitäten aufgesucht.
Nein, betrunken war Faber keinesfalls, aber sehr gesprächig!
Gerade brannte er sich eine Zigarette an und plauderte über die verschiedensten Unfälle. Die sich damals da draußen in den eisigen oder von glühender Sonne überfluteten Weiten Sibiriens ereigneten. Und die er, es wäre oft ein schrecklicher Anblick gewesen, gemäß seines Amtes bearbeiten musste.
Biçon ließ Faber fabulieren, er machte sich keine Notizen, denn das Band lief schließlich mit.
Dann erwähnte Faber endlich von allein, so ganz nebenbei, das eigentliche Thema. Das, wegen dem Biçon hier aufgetaucht war. »Natürlich gab es auch Selbstmorde, da draußen. Obwohl man von offizieller Seite auf alle Fälle versuchte, solche Vorkommnisse zu vertuschen. Es passte nicht in unsere heile, sozialistische Arbeitswelt, dass sich junge Menschen fernab der Heimat selbst umbrachten. Egal was die Ursache war.«
Biçon zeigte sich nunmehr sehr interessiert.
Faber lenkte jedoch sofort ein, als ihn Biçon um Details bat. »Nun ja. Es war wohl im Grunde genommen nur eine einzige Selbsttötung, mit der ich mich befassen musste. Diese fand, man stelle sich das vor, ausgerechnet vor einer Faschingsfeier statt!« Biçon setzte sich prompt aufrecht hin und hob die Brauen. »Ach was! Suicide sur le carneval? Selbstmord zu Fasching? Wie passt das denn zusammen?«
Den Kopf auf die Hand gestützt starrte Faber, nachdem er wieder einen Schluck vom Roten genommen hatte, mit feuchten, traurigen Augen vor sich hin. »Seltsam! Aber ich weiß es noch genau«, murmelte er nachdenklich und sog an seinem Glimmstängel. Dann räusperte er sich und hob wieder die Stimme. »Es war an einem Sonnabendmorgen vorm Fasching im Jahre Sechsundachtzig. Da haben wir den Jungen gefunden. Angeblich hat er sich mit seinem Schal erhängt!« Faber trank nunmehr hastig sein Glas in einem Zug leer und schüttelte den Kopf.
Biçon hingegen hakte sofort nach. »Angeblich? Wieso angeblich? Wie meinen sie das? War es denn kein Selbstmord?«
Faber wedelte den Rauch seiner Zigarette von sich weg. Er stieß die Kippe in den Ascher und hustete. »Selbstmord war die offizielle Todesursache, mein Herr! Damals, als das passierte, herrschte auf den Baustellen große Hektik wegen riesiger Probleme. Keiner fand wohl daher die nötige Zeit, die Motivation oder das Interesse, um diese Sache richtig abzuklären. Also gab’s von mir einen offiziellen Bericht mit allen notwendigen Unterschriften drauf. Kiste zu und ab mit dem Jungen in die Heimat!«
Biçon spürte, wie sich ihm bei Fabers Worten die Nackenhaare aufstellten.
Doch der war mit seinem Latein noch nicht am Ende. »Ich sag Ihnen was, Monsieur Biçon. Wir hatten alle einen Verdacht, aber wir konnten es nicht beweisen! Von wegen »Lampe halten« und so.« Er schürzte kurz die Lippen und rieb sich über das stoppelige Kinn. »Er war ein hübscher Junge, der Tote. Ich kannte ihn. Ein bisschen weich vielleicht, obwohl er beim LT gerackert hat. Aber es gab da auf der Baustelle so einen Superfunktionär, von der »Deutsch-Sowjetischen«! Und der war schwul, obwohl das keiner offen aussprach. Weils ja auch kein Problem gewesen wäre. Aber der Kerl vögelte wohl mit Vorliebe fesche Jungs. Aber, wie schon gesagt, keine Beweise, alles nur Vermutungen!« Faber nickte vielsagend, kniff dabei heftig Lippen und Augen zusammen.
Biçon jedoch versuchte, das Zittern seiner Hände zu unterdrücken. Jetzt war der Zeitpunkt gekommen, wo er die Fakten bekommen musste. »Ich denke, solche Kerle haben sich wohl nach der Wende gleich in die Karibik abgesetzt, fait départ, oder?«, fragte er in einem bewusst gleichgültigen Tonfall.
Faber hingegen platzte sofort heraus. »Verpisst? Nee, nee, wenn’s nur so wäre! Solche Typen fallen doch immer wieder auf die Füße. Die machen dabei noch auf dicke Mappe! Nee, nee, der Sack hat’s ganz weit nach oben geschafft! Als die hier in der Stadt vor ’n paar Jahren das Einkaufscenter gebaut haben, hab’ ich ihn ein paar Mal gesehen. Ich war auch dort, auf der Baustelle, weil die bei mir neue Schlösser für ihre Baucontainer bestellt hatten. Denen haben sie wohl die Dinger aufgeknackt, die Container leer geräumt. Also, da hab ich ihn gesehen, den Herrn Investor im fetten Daimler. Ich hab’ ihn auch sofort erkannt!«
Biçon wusste, dass jetzt der Augenblick gekommen war wo Faber alles rauslassen musste. »Das ist ja hochinteressant, dass solche Leute in der Bundesrepublik wieder einen geschäftlichen, oder sogar gesellschaftlichen Aufstieg vollziehen können. Vom Kommunisten zum Kapitalisten! Das hätte ich nicht gedacht! Ich nehme aber an, dass sie den Kerl dann nie mehr gesehen haben?«
Faber stieß ein trockenes Lachen aus, das in einen heftigen Hustenanfall überging. »Denkste, Monsieur!«, japste er nach einer Weile, als er sich wieder beruhigt hatte. Mit einem Finger zog er ein Augenlid herab und schaute Biçon dabei eindringlich an. »Sie meinen wohl eher, vom Bubenschänder zum Saubermann? Aber ich brauchte den Kerl nicht mehr zu sehen. Denn ich wurde natürlich neugierig, habe im Netz recherchiert. Wozu ist man denn von »die Sicherheit«? Da habe ich diesen Fiesling auch gleich gefunden. Ja! Der hat schon seit Jahren eine feine Investmentgesellschaft in Westberlin. « Noch bevor Biçon ihm eine weitere Frage stellen konnte, sabbelte Faber mit einem breiten Grinsen weiter. »Ich habe bei der ganzen Recherche durch einen Zufall sogar den früheren Beauftragten der Stasi für meinen Bauabschnitt wiedergefunden. Ich meine, für den Ural. Mit dem habe ich damals all die Jahre viel zu tun gehabt, wir kannten uns sehr gut. Aber jetzt ist der Kerl stinkreich, hat eine große Sicherheitsfirma in Berlin. Ja, auch der ist wieder auf die Füße gefallen. Nicht wie wir, die aufm Arsch gelandet sind!«
»Wie meinen sie das?«, hakte sich Biçon ein.
»Nun ja. Vor langer Zeit, bevor ich mich mit dieser Klitsche hier selbstständig machte, hab’ ich mal bei ihm angefragt. Wegen einem Job. Weil ich damals gerade arbeitslos war. Wir waren uns in Berlin, auf der Friedrichstraße, ganz zufällig über ’n Weg gelatscht. Wir haben bisschen gequatscht und da sagte er zu mir, dass er jetzt eine kleine Sicherheitsfirma hätte. Ich hab’ ihn natürlich gleich wegen Arbeit angehauen. Aber er hat nur gesagt, dass er keine alten Seilschaften will, wie es jetzt überall herum erzählt wird!« Faber lachte böse auf und klopfte sich mit dem Zeigefinger heftig gegen die Stirn. »Der wollte mich für blöd verkaufen! Denn kurz danach wusste ich dann ganz genau warum. Ein alter Kumpel erzählte mir nämlich, dass der alte Sack seine Firma gemeinsam mit zwei anderen, ehemaligen Stasitypen betreibt! Von wegen – keine Seilschaften!« Faber goss Biçon, der eigentlich abwehrte, doch noch ein Glas Wein ein.
»Monsieur Faber, die deutschen Gesetze! Isch bin mit dem Auto hier!« Faber winkte unwillig ab, woraufhin Biçon einen weiteren Vorstoß unternahm. »So viel Informationen. Sehr interessant! Alle Achtung, dass Sie sich nach so langer Zeit noch an diese vielen Namen und all die Details so gut erinnern können!«
Faber sprang unvermittelt auf und öffnete einen grauen Stahlschrank, der in der Ecke des Ladens stand.
Mit einem Aktenordner in der Hand kam er an den Tisch zurück und grinste breit, wobei seine schadhaften Zähne zu sehen waren.
Er ließ sich wieder auf seinen Stuhl fallen und hielt Biçon triumphierend die Vorderseite des Ordners entgegen.
»Was aus wem geworden ist«, stand da in fetten, roten Buchstaben.
Biçon fühlte sofort, dass er jetzt ganz nah dran war.
Faber schlug den Ordner auf. Als Erstes präsentiert er Biçon das Impressum von Knäbleins Firmenseite. Die Privatadresse von Knäbelein hatte er wohl handschriftlich dazugesetzt.
Auf einem zweiten Blatt war das Impressum von einer anderen Firmenseite ausgedruckt.
»FUSIONA« war der Name der Firma.
Faber gegenüber zeigte Biçon kein Wiedererkennen, aber innerlich frohlockte er. Und ein bestimmter Name auf dem Blatt bestätigte ihm, dass er wirklich dran war. Horst Weiler! Auch wenn Yvonne daheim eben diese Seite bereits ausgedruckt hatte, entdeckte er hier noch etwas ganz Entscheidendes.
Faber hatte wohl auch die Privatadressen der drei Geschäftsführer herausbekommen und sie auf dem Blatt notiert.
Langsam sollte er das Gespräch mit dem früheren Sicherheitschef zu Ende bringen. Daher betrachtet es Biçon für angebracht, sich an dieser Stelle zu empören. »Es ist doch sehr befremdlich, dass es augenscheinlich viel mehr von den früheren Funktionären geschafft haben wieder nach oben zu kommen, als ich gedacht hab!«, rief er aus. »Doch warum sollten sie eigentlich keine zweite Chance bekommen?«, setzte er nach einer Kunstpause scheinheilig hinzu.
Faber riss wegen Biçons scheinbarer Meinung überrascht die Augen auf. Daraufhin echauffierte er sich etwas unflätig über »diese Aasgeier, denen keine zweite Chance zustände«.
Erregt sprang er auf. Vor sich hin mosernd und für Biçon völlig überraschend, nahm er die betreffenden Blätter aus dem Ordner. Er schob sie durch einen Kopierer und legte die Kopien vor Biçon auf den Tisch.
Von dieser großzügigen Geste überrascht, bedankte der sich. Daraufhin führte er das Gespräch der Form halber noch eine kleine Weile ganz allgemein gehalten weiter.

Schließlich verabschiedeten sich die beiden Herren. Bei ihrem Händedruck schaute Faber einen Augenblick lang tief in Biçons Augen. »Ein Schlitzohr, der Herr Journalist!«, sagte er leise, bevor er die Tür aufschloss.
Als er in seinem Laden wieder allein war, goss er sich den Rest des Weines ein. »Journalist? Nette Idee! TV, haha! Doch was soll’s? Alles nimmt irgendwann seinen Lauf, es erwischt sie alle!« Faber löschte das Licht im Laden und schlurfte in das nebenan gelegene Zimmer. Dort wohnte er.


 
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